Teil 4: Mehr Orte, mehr Möglichkeiten – Adresssuche hinzufügen

Hallo und willkommen zurück zu unserer Flutter-Wetter-App-Serie!

Im letzten Teil haben wir einen riesigen Schritt gemacht: Wir haben die Standard-Demo-App durch unsere eigene ersetzt, eine solide Architektur aufgebaut und die aktuelle Temperatur für unseren GPS-Standort angezeigt. Dabei haben wir viel über eine saubere Architektur, State Management mit Riverpod und Fehlerbehandlung gelernt.

Doch eine Wetter-App ist erst richtig nützlich, wenn wir das Wetter für beliebige Orte nachschlagen können. Genau das packen wir heute an! Wir erweitern unsere App um eine Adresssuche.

Das Ziel für heute:

  • Wir untersuchen den Code für Teil 4 aus unserem Repository.
  • Wir verstehen, wie das Suchfeld zur Benutzeroberfläche hinzugefügt wurde.
  • Wir lernen Geocoding: Wie eine Adresse („München“) in Koordinaten (Latitude/Longitude) umgewandelt wird.
  • Wir verfolgen, wie die App-Logik und Datenbeschaffung angepasst wurden, um Wetterdaten für gesuchte Orte abzurufen.
  • Wir sehen, wie Fehler bei der Suche (z.B. „Adresse nicht gefunden“) behandelt werden.

Warum dieser Schritt wichtig ist:

Dieser Teil zeigt, wie eine gut geplante Architektur Früchte trägt. Wir müssen nicht alles neu erfinden, sondern können auf unserem bestehenden Fundament aufbauen und gezielt Erweiterungen hinzufügen. Außerdem lernen wir eine weitere wichtige Funktion vieler Apps kennen: die Verarbeitung von Benutzereingaben und die Umwandlung von Text in geografische Daten.

Schritt 1: Den Code für Teil 4 holen

Der gesamte Code für diesen Beitrag ist wieder im Git-Repository vorbereitet.

1. Öffne ein Terminal in deinem Projektordner (flutter_weather_app_blog).

2. Stelle sicher, dass du keine lokalen Änderungen hast, die du behalten willst (ggf. git stash).

3. Wechsle zum main-Branch (um sicher vom letzten stabilen Punkt auszugehen):

git checkout main
git pull origin main

4. Checke den Code-Stand für Teil 4 aus:

git checkout part4-address-search

(Zur Erinnerung: Die ‚detached HEAD‘-Meldung ist normal und bedeutet, dass du einen spezifischen Punkt in der Projekthistorie betrachtest.)

5. Ganz wichtig: Abhängigkeiten holen & Code generieren: Wir haben eine neue Bibliothek hinzugefügt und Code geändert, der generiert werden muss. Führe diese beiden Befehle aus:

flutter pub get
dart run build_runner build --delete-conflicting-outputs

Öffne das Projekt jetzt in VS Code. Lass uns die Neuerungen erkunden!

Schritt 2: Was ist neu? Der Überblick

Wenn du die App jetzt startest (F5 in VS Code), wirst du sofort die Änderungen sehen:

  • Ein Suchfeld ist oben erschienen.
  • Ein „Mein Standort“-Button (ein kleines Fadenkreuz-Icon) befindet sich nun oben rechts in der AppBar.

Unter der Oberfläche sind die wesentlichen Anpassungen:

  • Neues Paket: Wir nutzen das geocoding-Paket.
  • UI-Anpassungen: Der Hauptbildschirm (WeatherScreen) wurde umgebaut, um das Suchfeld und den neuen Button zu integrieren. Ein neues Widget (SearchBarWidget) wurde erstellt.
  • Geocoding-Logik: Neue Funktionen im LocationService und WeatherRepository wandeln Adressen in Koordinaten um.
  • State Management Update: Der WeatherNotifier kann nun Suchanfragen verarbeiten.
  • Intelligentere Refresh-Funktion: Aktualisiert jetzt immer den zuletzt angezeigten Ort.
  • Erweiterte Fehlerbehandlung: Erkennt und meldet Fehler bei der Adresssuche.

Schritt 3: Die neue Zutat – Das geocoding-Paket

Wie wird aus dem Text „Hamburg“ ein Paar von Koordinaten (Breitengrad, Längengrad), das unsere Wetter-API versteht? Durch Geocoding.

  • pubspec.yaml: In dieser Datei (dem „Rezeptbuch“ unserer App) haben wir eine neue Zutat hinzugefügt:
dependencies:
# … andere Pakete …
geocoding: ^3.0.0 # Version prüfen

Dieses Paket erlaubt uns, die eingebauten Geocoding-Funktionen von Android zu verwenden. Der Befehl flutter pub get hat dieses Paket heruntergeladen und für unser Projekt verfügbar gemacht.

Schritt 4: Die Benutzeroberfläche (presentation) – Ein Platz für die Suche

Schauen wir uns an, wie die Benutzeroberfläche in lib/src/features/weather/presentation/ angepasst wurde.

widgets/search_bar.dart (NEU):

Um den Code aufgeräumt zu halten, haben wir ein eigenes Widget für die Suchleiste erstellt. Es ist ein einfaches TextField, aber schön verpackt mit einem Such-Icon (prefixIcon), einem Senden-Icon (suffixIcon) und abgerundeten Ecken (InputDecoration).

Wichtige Parameter:

  • controller: Ein TextEditingController, um den Text im Feld zu steuern.
  • onSearch: Eine Funktion, die aufgerufen wird, wenn der Nutzer auf das Senden-Icon tippt oder auf der Tastatur „Suchen“ auswählt.
  • isLoading: Ein bool, um das Feld und den Button zu deaktivieren, während die App Daten lädt.
// lib/src/features/weather/presentation/widgets/search_bar.dart
import 'package:flutter/material.dart';</li>
</ul>
</li>
</ul>
class SearchBarWidget extends StatelessWidget {
final TextEditingController controller;
final Function(String) onSearch;
final bool isLoading;
final String hintText;

const SearchBarWidget({ /* … Konstruktor … */ });

@override
Widget build(BuildContext context) {
return TextField(
controller: controller,
enabled: !isLoading, // Deaktivieren bei Ladevorgang
decoration: InputDecoration(
hintText: hintText,
prefixIcon: const Icon(Icons.search),
// … weitere Styling-Details …
suffixIcon: isLoading
? /* Ladeindikator */
: IconButton(
icon: const Icon(Icons.send),
onPressed: isLoading ? null : () => onSearch(controller.text),
),
),
textInputAction: TextInputAction.search,
onSubmitted: isLoading ? null : onSearch, // Suche auch bei Enter
);
}
}

screens/weather_screen.dart: Hier passieren mehrere Dinge:

  • Controller Management: Im _WeatherScreenState wird ein TextEditingController erstellt:
final TextEditingController _searchController = TextEditingController();
  • Ganz wichtig: Controller speichern Ressourcen und müssen freigegeben werden, wenn das Widget zerstört wird. Das geschieht in der dispose-Methode:
@override
void dispose() {
_searchController.dispose(); // Controller aufräumen!
super.dispose();
}
  • Layout Anpassung: Die build-Methode des Screens enthält jetzt eine Column. Das erste Kind dieser Column ist ein Padding, das unser neues SearchBarWidget enthält. Darunter folgen der LocationHeader und der Expanded-Bereich für den Hauptinhalt (Wetteranzeige oder Fehler).
// lib/src/features/weather/presentation/screens/weather_screen.dart (Ausschnitt build)
@override
Widget build(BuildContext context) {
final weatherState = ref.watch(weatherNotifierProvider);
final weatherNotifier = ref.read(weatherNotifierProvider.notifier);

return Scaffold(
appBar: AppBar( /* … mit Buttons … <em>/ ),
body: Column( // NEU: Column für vertikale Anordnung
children: [
// Suchleiste oben
Padding(
padding: const EdgeInsets.all(12.0),
child: SearchBarWidget(
controller: _searchController,
isLoading: weatherState.status == WeatherStatus.loading,
onSearch: (query) { // Was passiert bei Suche?
if (query.trim().isNotEmpty) {
_log.info('Screen: Suche ausgelöst für "$query"');
FocusScope.of(context).unfocus(); // Tastatur weg
// Aktion im Notifier auslösen!
weatherNotifier.fetchWeatherForAddress(query);
} else {
_showSnackbar("Bitte einen Ort oder eine Adresse eingeben.");
}
},
),
),
// Ort anzeigen
Padding(
padding: const EdgeInsets.symmetric(horizontal: 16.0, vertical: 4.0),
child: LocationHeader( /</em> … <em>/ ),
),
// Restlicher Inhalt (nimmt verfügbaren Platz ein)
Expanded(
child: RefreshIndicator( /</em> … */ ),
),
],
),
);
}
  • Neue AppBar-Aktion: Der „Mein Standort“-Button (IconButton mit Icons.my_location) wurde zur AppBar hinzugefügt. Sein onPressed ruft einfach weatherNotifier.fetchWeatherForCurrentLocation(), die Methode, die wir schon aus Teil 3 kennen.
  • Fehlerbehandlung: Das _buildErrorWidget wurde angepasst. Es prüft nun zusätzlich, ob der failure vom Typ GeocodingFailure ist. Wenn ja, zeigt es eine spezifische Meldung (z.B. „Adresse ‚XYZ‘ konnte nicht gefunden werden.“) und ein passendes Icon (Icons.wrong_location_outlined). Da der Nutzer in diesem Fall eine neue, korrekte Suche starten muss, gibt es hier keinen „Erneut versuchen“-Button.

Schritt 5: Die Datenbeschaffung (core, data, domain) – Adresse zu Koordinaten

Das ist das technische Herzstück der neuen Funktion. Wie kommen wir von „Paris“ zu Längen- und Breitengrad?

  1. LocationService (lib/src/core/location/location_service.dart):
    • Dieser Service ist nun der Experte für alle Standort-bezogenen Aufgaben. Er hat die neue Methode getCoordinatesFromAddress bekommen.
    • Wie sie funktioniert: Sie nutzt intern die Funktion locationFromAddress aus dem geocoding-Paket. Dieses Paket kommuniziert mit den nativen Diensten von Android, um die Koordinaten zu ermitteln.
    • Fehlerbehandlung: Wenn das geocoding-Paket die Adresse nicht kennt, wirft es eine NoResultFoundException. Unser LocationService fängt diesen spezifischen Fehler und wirft stattdessen unsere eigene, definierte GeocodingException. Das ist wichtig, damit der Rest unserer App nicht die Interna des geocoding-Pakets kennen muss. Andere Fehler (z.B. Netzwerkprobleme während des Geocodings) werden ebenfalls als GeocodingException gefangen.
    • Reverse Geocoding: Die Methode getAddressFromCoordinates, die wir in Teil 3 nur als Platzhalter hatten, ist jetzt auch implementiert. Sie nutzt placemarkFromCoordinates aus dem geocoding-Paket, um aus Koordinaten wieder eine lesbare Adresse zu machen. Das wird genutzt, um den Anzeigenamen im LocationHeader potenziell zu verbessern (z.B. aus Koordinaten wird „Berlin, Deutschland“).
  2. Fehlerklassen (lib/src/core/error/):
    • Wir haben GeocodingException (für technische Geocoding-Fehler) und GeocodingFailure (die abstraktere Form für unsere App-Logik) hinzugefügt.
  3. WeatherRepository (Interface & Implementierung):
    • Das Interface (domain/repositories/weather_repository.dart) wurde um die Methode getCoordinatesForAddress erweitert – unser Repository muss diese Fähigkeit nun anbieten.
    • Die Implementierung (data/repositories/weather_repository_impl.dart) erfüllt diesen Vertrag:
      • Die getCoordinatesForAddress-Methode ruft _locationService.getCoordinatesFromAddress auf.
      • Sie fängt die GeocodingException vom Service.
      • Sie gibt das Ergebnis als Either zurück: Left(GeocodingFailure(...)) im Fehlerfall oder Right(LocationInfo(...)) bei Erfolg.
      • Wichtig: Bei Erfolg versucht sie noch, den displayName des LocationInfo-Objekts durch einen Aufruf von getLocationDisplayName (also Reverse Geocoding) zu verfeinern, bevor sie das Ergebnis zurückgibt.

Schritt 6: Die Logik (application) – Suche und Wetter verknüpfen

Der WeatherNotifier (lib/src/features/weather/application/weather_notifier.dart) dirigiert das Zusammenspiel.

  • Neue Methode fetchWeatherForAddress:
    • Das ist die Reaktion auf die Nutzereingabe im Suchfeld.
    • Sie prüft, ob überhaupt etwas eingegeben wurde und ob gerade schon geladen wird.
    • Sie setzt den state auf loading.
    • Kernschritt 1: Sie ruft _weatherRepository.getCoordinatesForAddress(address) auf.
    • Kernschritt 2: Sie wertet das zurückgegebene Either aus:
      • Bei Left(failure) (z.B. GeocodingFailure): Der state wird auf failure gesetzt, die UI zeigt den Fehler.
      • Bei Right(locationInfo) (Koordinaten erfolgreich gefunden): Jetzt kommt der Clou! Sie ruft die bereits vorhandene Methode _fetchWeatherDataAndUpdateState(locationInfo) auf. Diese Methode weiß, wie man Wetterdaten für ein LocationInfo-Objekt holt – egal, ob dieses vom GPS oder vom Geocoding kam. Das ist Wiederverwendung dank guter Architektur!
  • Angepasste Methode refreshWeatherData:
    • Diese Methode wurde intelligenter. Zuvor hat sie einfach immer den GPS-Standort neu geladen.
    • Jetzt: Sie schaut sich den state.selectedLocation an (der ja nach einer erfolgreichen Suche den gesuchten Ort enthält). Sie ruft dann _fetchWeatherDataAndUpdateState für genau diesen gespeicherten Ort auf. Damit funktioniert der Refresh-Button und Pull-to-Refresh immer für den Ort, den der Nutzer gerade sieht.

Schritt 7: Der Datenfluss bei der Suche (Zusammenfassung)

Lass uns den Weg einer Suche nachvollziehen:

  1. Eingabe: Nutzer tippt „Rom“ ein und drückt Senden (WeatherScreen).
  2. Aktion: onSearch ruft notifier.fetchWeatherForAddress("Rom").
  3. Laden: Notifier setzt state auf loading (UI zeigt Ladekreis).
  4. Koordinaten holen: Notifier ruft repo.getCoordinatesForAddress("Rom").
  5. Geocoding: Repo ruft service.getCoordinatesFromAddress("Rom"). Service ruft geocoding-Paket, bekommt Koordinaten für Rom.
  6. Reverse Geocoding: Repo ruft service.getAddressFromCoordinates(...), bekommt vielleicht „Rom, Latium, Italien“ zurück.
  7. Erfolg (Koordinaten): Repo gibt Right(LocationInfo(..., displayName: "Rom, Latium, Italien")) an Notifier zurück.
  8. Wetter holen: Notifier erhält locationInfo_Rom und ruft _fetchWeatherDataAndUpdateState(locationInfo_Rom).
  9. API-Anfrage: Notifier ruft repo.getWeatherForLocation(locationInfo_Rom). Repo ruft apiService.getCurrentWeather(...) mit Rom-Koordinaten.
  10. API-Antwort: ApiService holt Daten von Open-Meteo, parst sie.
  11. Erfolg (Wetter): Repo gibt Right(weatherData_Rom) an Notifier zurück.
  12. Finaler State: Notifier setzt state auf success mit weatherData_Rom und locationInfo_Rom.
  13. Anzeige: WeatherScreen wird neu gebaut und zeigt „Rom, Latium, Italien“ und die aktuelle Temperatur für Rom an.

Schritt 8: Ausführen und Experimentieren!

Starte die App (F5) und spiele damit herum:

  • Suche verschiedene Städte, Länder, Sehenswürdigkeiten.
  • Suche nach ungültigen Adressen.
  • Wechsle zwischen Suchergebnissen und deinem GPS-Standort über den „Mein Standort“-Button.
  • Teste die Refresh-Funktion für gesuchte Orte.
  • Beobachte die Log-Ausgaben in der „DEBUG CONSOLE“ in VS Code, um den Fluss nachzuvollziehen.

Fazit und Ausblick

Wir haben unserer App eine wichtige Funktion hinzugefügt und dabei gesehen, wie unsere Architektur uns geholfen hat, Code wiederzuverwenden und die Änderungen sauber zu integrieren. Du hast gelernt:

  • Wie man eine neue Bibliothek (geocoding) einbindet und nutzt.
  • Wie der Prozess von der Adresseingabe bis zur Koordinate funktioniert (Geocoding).
  • Wie man die App-Logik im Notifier erweitert, um neue Benutzeraktionen zu behandeln.
  • Wie man bestehende Komponenten (wie die Wetterabfrage) für neue Szenarien wiederverwendet.
  • Wie man die Refresh-Logik an den aktuellen App-Zustand anpasst.

Unsere App ist jetzt deutlich flexibler. Aber reine Zahlen und Texte sind oft nicht genug, um Wettertrends zu erfassen. Im nächsten Teil (Teil 5) wird es grafisch: Wir holen uns stündliche Temperaturdaten von der API und visualisieren den Verlauf der letzten 7 Tage und die Prognose für die nächsten 7 Tage in einem interaktiven Liniendiagramm!

Das wird die App optisch aufwerten und noch informativer machen. Bleib neugierig!


Weiterführende Ressourcen & Vertiefung (für Teil 4)

In diesem Teil haben wir die App interaktiver gemacht und Geocoding eingeführt.

  1. Geocoding:
    • geocoding Paket: https://pub.dev/packages/geocoding – Die Dokumentation zum verwendeten Paket.
    • Konzept Geocoding/Reverse Geocoding (Allgemein): Suche online nach diesen Begriffen, um das grundlegende Konzept besser zu verstehen (z.B. auf Wikipedia oder GIS-Seiten).
  2. Flutter UI – Eingabefelder:
  3. Architektur & Refactoring:
    • (Die Links aus Teil 3 zur Architektur sind weiterhin relevant) – Betrachte, wie die bestehende Struktur das Hinzufügen der Suchfunktion erleichtert hat, ohne große Umbauten an der Wetterabfrage selbst vornehmen zu müssen.